Das heilige Gesetz

»So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut.«

Diese Überschrift aus Röm 7,12 gibt für das Verständnis des Gesetzes den Ton an und gibt dessen Bedeutung für Christen vor. Gerade im Römerbrief ist die »Programmerklärung« des Gesetzes zugrunde gelegt. Es geht dort darum, wie Gott Juden und Griechen, d.h. alle Menschen, die gerettet werden wollen, vom ewigen Tod errettet. Selbst wenn Paulus sehr positiv über das Gesetz spricht, wie die Überschrift es zum Ausdruck bringt, so soll doch kein Zweifel darüber bestehen, wie die Menschen Paulus zufolge gerettet werden, nämlich dass »kein Mensch durch die Werke des Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde«. (Röm 3,20) Paulus sagt hier deutlich, aufgrund guter Werke können wir uns nicht selbst erlösen und bekräftigt gleichzeitig, dass das Gesetz nicht abgeschafft wurde. Durch das Gesetz erkennen wir unsere Unzulänglichkeit als Sünder. Und da gibt es nur einen, der uns retten kann: Gott selbst. Diese Gnade, die er uns durch das Erlösungswerk Christi zuteil werden lässt, ist keinerlei Verdienst (Röm 3,24). Dies wird in Vers 28 wiederholt: Der Mensch wird durch den Glauben, d.h. durch das Vertrauen, gerechtfertigt.

Zudem muss Paulus im selben Schriftabschnitt ein mögliches Missverständnis von vorn herein ausschalten, wenn er gleichzeitig fragt und antwortet:

»Wie? Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf.« (Röm 3,31) Wieder eine sehr deutliche Aussage: Das Gesetz wurde der Gnade wegen nicht abgeschafft. Ganz im Gegenteil, das Gesetz zeigt uns, wie sehr wir die Gnade benötigen.

Weitere Beweise aus anderen Briefen des Neuen Testaments über die Bedeutung des Gesetzes und besonders der Zehn Gebote für Christen, werden im Folgenden stichpunktartig mit Texthinweisen dargelegt. Hier wird ersichtlich, auf welche Gebote Paulus und die anderen Verfasser der Briefe hinweisen. Es wird offensichtlich: Die Verfasser der neutestamentlichen Briefe hatten die gleiche Achtung vor den Zehn Geboten wie Jesus selbst. Siehe Kapitel VI dieses Buches.

Einleitende Bemerkung

Die Gebote, die hier aufgeführt werden, sind anders nummeriert als in den katholischen oder lutherischen Katechismen. Wir folgen der ursprünglichen Nummerierung, wie sie auch bei den Orthodoxen, den reformierten Kirchen und den Anglikanern und vielen Freikirchen zu finden sind. Da in den katholischen oder lutherischen Katechismen das Gebot über Abbilder (zweites Gebot) entweder ganz fehlt oder zum ersten Gebot gerechnet wird, wird das vierte Gebot, das Sabbatgebot, zum dritten Gebot und alle anderen rücken eine Nummer zurück. Um wieder auf die Nummer zehn zu kommen, hat man das zehnte Gebot in zwei Gebote geteilt.

Hier nun die Aussagen der Apostel

Römer 7,7: Die Sünde wird durch das Gesetz erkannt.

Röm 13,8-9: Erwähnung vom 7. Gebot (Ehebruch), 6. Gebot (Mord), 8. Gebot (Stehlen) und 10. Gebot (Begierde). Paulus fasst diese Gebote des Gesetzes im Liebesgebot zusammen und schlussfolgert: »So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.« (Vers 10). Das beinhaltet aber keineswegs die Abschaffung der Gebote. Die Liebe im Herzen will dem Nächsten nichts Böses zufügen, wie es in den angeführten Geboten zum Ausdruck kommt.

1. Korinther 5,1: 7. Gebot (Unzucht). Die Unzucht ist im Ehe-Gebot einbezogen.

1. Korinther 6,12-20: 7. Gebot. Warnung vor Unzucht.

1. Korinther 7, 19: »Beschnitten sein ist nichts und unbeschnitten sein ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten.«

1. Korinther 8,4.6:   1. Gebot (nur ein Gott)

1. Korinther 10,8:   7. Gebot (Unzucht)

1. Korinther 10,14.19: 1. und 2. Gebot (haltet euch fern von Abgötterei)

Galater 3,24: Das Gesetz ein »Zuchtmeister«, ein (Erzieher) zu Christus hin

Galater 5,19:   7. Gebot (Unzucht)

Galater 5,20:  1. und 2. Gebot (Abgötterei)

Galater 5,21:   10. Gebot (Begierde/Neid)

Galater 6,7:  3. Gebot (Lästerung: »Gott lässt sich nicht spotten.«)

Epheser 4,25:   9. Gebot (Lüge)

Epheser 4,28:   8. Gebot (Diebstahl: »Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr.«)

Epheser 5,3:   7. Gebot (Unzucht)

Epheser 6,1:   5. Gebot (»Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn.«)

Kolosser 3,5:   7. Gebot (Unzucht)

Kolosser 3,5:   1. und 2. Gebot (Abgötterei)

Kolosser 3,8:   3. Gebot (Lästerung)

Kolosser 3,9:   9. Gebot (Lüge: »Belügt einander nicht.«)

1. Thessalonicher 4,3-4: 7. Gebot (Unzucht)

1. Timotheus 1,8: »Das Gesetz ist gut.«

1. Timotheus 1,8-11:  3. Gebot, 5. Gebot, 6. Gebot und 7. Gebot (angedeutet)

Jakobus 1,25: »Wer aber durchschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und dabei beharrt und ist nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seiner Tat.«

Jakobus 2,8: »Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift [3.Mose 19,18]: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹, so tut ihr recht«. Die letzten sechs der Zehn Gebote, sind nur eine Konkretisierung (Klarstellung) des »königlichen Gesetzes«.

Jakobus 2,10: »Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig.«

Jakobus 2,11:   7. Gebot (Ehebruch), 6. Gebot (Töten): »Denn der gesagt hat [2.Mose 20,13-14]: ›Du sollst nicht ehebrechen‹, der hat auch gesagt: ›Du sollst nicht töten‹.« (direkte Zitate aus den Zehn Geboten)

Jakobus 4,11:   8. Gebot (Lüge): »Verleumdet einander nicht, liebe Brüder. Wer seinen Bruder verleumdet oder verurteilt, der verleumdet und verurteilt das Gesetz. Verurteilst du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter.«

1. Johannes 2,3: »Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.«

1. Johannes 2,4: »Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.«

1. Johannes 3,4: »Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht.« Schlachter Übersetzung 2000: »Jeder, der die Sünde tut, der tut auch die Gesetzlosigkeit und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit.«

1. Johannes 5,3: »Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.«

Mit diesen vielen positiven Aussagen über das Gesetz und den direkten oder indirekten Hinweisen auf die Zehn Gebote kann mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Die Apostel haben das Gesetz nicht abgeschafft, sondern es wie Jesus bekräftigt und dessen bleibende Gültigkeit für Christen bestätigt.

Es ist vielleicht bemerkt worden, dass kein Hinweis zum 4. Gebot, dem Sabbatgebot, vorkommt. Ist dies eine versteckte Anspielung darauf, dass zu dieser Zeit, also 30 – 40 Jahre nach Jesu Auferstehung, der Sabbat langsam seine Gültigkeit verlor und der Sonntag mehr und mehr akzeptiert wurde? In folgender Dokumentation wird sichtbar werden: Es befinden sich ganz eindeutige Hinweise in der ersten »Kirchengeschichte«, der Apostelgeschichte, besonders von Paulus bezeugt, wie Christen den Sabbat feierten. Außerdem stand das Sabbatgebot bei den allerersten Christen, die alle Juden waren, nicht zur Diskussion. Die ersten Nicht-Juden, die Christen wurden, kamen von den sogenannten »Gottesfürchtigen«, die schon den Sabbat mit den Juden gefeiert haben. Nochmals ist zu betonen: Die Gültigkeit des Sabbats wurde nicht angezweifelt. Deshalb bestand auch keine Notwendigkeit, die ersten Christen diesbezüglich ermahnen zu müssen.

Autor: Dr. theol. Richard Müller (http://www.luxlucet.dk/). Infos über Dr. Müller finden Sie hier.

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