aus „Das Leben Jesu“, Ellen G. White, (Originaltitel: The Desire of Ages), Kap. 29, S. 269-277, Saatkorn-Verlag Hamburg, 1973, digitale Ausgabe von www.egwwritings.org
„Der Sabbat wurde bei der Schöpfung geheiligt. Für den Menschen gemacht, hatte er seinen Ursprung, „als mich [Gott] die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne“. Hiob 38,7. Frieden erfüllte die Welt; denn die Erde stand mit dem Himmel in Einklang. „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ 1.Mose 1,31. Da ruhte er voll Freude über das gelungene Werk. {LJ 269.1}
„Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn.“ 1.Mose 2,3. Er sonderte ihn ab zu heiligem Dienst, „weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken“. 1.Mose 2,3. Er gab ihn Adam als Ruhetag. Er war ein Gedächtnistag der göttlichen Schöpfung und daher ein Zeichen der Macht und Liebe Gottes. Die Heilige Schrift sagt: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder.“ Psalm 111,4. „Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen seit der Schöpfung der Welt und wahrgenommen an seinen Werken, so daß sie keine Entschuldigung haben.“ Römer 1,20. {LJ 269.2}
Alle Dinge wurden durch den Sohn Gottes geschaffen. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott … Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Johannes 1,1-3. Und da der Sabbat ein Gedächtnistag der Schöpfung ist, ist er ein Zeichen der Liebe und der Macht Christi. {LJ 269.3}
Der Sabbat lenkt unsere Gedanken auf die Natur und bringt uns in Verbindung mit dem Schöpfer. Im Gesang der Vögel, im Rauschen der Bäume, im plätschern der Wellen können wir noch die Stimme dessen hören, der mit Adam in der Kühle des Tages redete. Indem wir die Kraft Gottes in der Natur wahrnehmen, finden wir reichen Trost; denn das Wort, das alle Dinge schuf, gibt auch unserer Seele Leben. Er, „der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi“. 2.Korinther 4,6. Darum singt der Psalmist: {LJ 269.4}
„Herr, du lässest mich fröhlich singen von deinen Werken,
und ich rühme die Taten deiner Hände.
Herr, wie sind deine Werke so groß!
Deine Gedanken sind sehr tief.“ Psalm 92,5.6. {LJ 270.1}
Der Heilige Geist erklärt durch den Propheten Jesaja: „Mit wem wollt ihr denn Gott vergleichen? Oder was für ein Abbild wollt ihr von ihm machen? … Wißt ihr denn nicht? Hört ihr denn nicht? Ist‘s euch nicht von Anfang an verkündigt? Habt ihr‘s nicht gelernt von Anbeginn der Erde? Er thront über dem Kreis der Erde, und die darauf wohnen, sind wie Heuschrecken; er spannt den Himmel aus wie einen Schleier und breitet ihn aus wie ein Zelt, in dem man wohnt … Mit wem wollt ihr mich also vergleichen, dem ich gleich sei? spricht der Heilige … Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, daß nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber: Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.“ Jesaja 40,18-29. — „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jesaja 41,10. — „Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr.“ Jesaja 45,22. Dies ist die Botschaft, die in der Schöpfung niedergelegt wurde und die durch den Sabbat wachgehalten wird. Bei dem Sabbatgebot an Israel sagte der Herr: „Meine Sabbate sollt ihr heiligen, daß sie ein Zeichen seien zwischen mir und euch, damit ihr wißt, daß ich, der Herr, euer Gott bin.“ Hesekiel 20,20. {LJ 270.2}
Der Sabbat war in dem auf Sinai gegebenen Gesetz eingeschlossen; aber er wurde nicht erst damals als Ruhetag verkündigt. Das Volk Israel besaß schon die Erkenntnis dieses Tages, ehe es nach Sinai kam; denn auf dem Wege dahin wurde der Sabbat gehalten. Als einige diesen geweihten Tag entheiligten, tadelte sie Gott und sagte: „Wie lange weigert ihr euch, meine Gebote und Weisungen zu halten?“ 2.Mose 16,28. {LJ 270.3}
Nicht nur für Israel war der Sabbat gegeben, sondern für die ganze Welt. Schon im Paradies hatte Gott ihn den Menschen verkündet, und gleich den andern Vorschriften des Gesetzes ist seine Gültigkeit unvergänglich. Von dem Gesetz, zu dem das vierte Gebot gehört, erklärt Christus: „Bis daß Himmel und Erde vergehe, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz.“ Matthäus 5,18. Solange Himmel und Erde bestehen, wird der Sabbat immer ein Zeichen der Macht des Schöpfers sein. Und wenn auf Erden das Paradies wieder erblühen wird, dann wird auch Gottes heiliger Ruhetag von allen, die unter der Sonne leben, gefeiert werden. „Einen Sabbat nach dem andern“ werden die Bewohner der gereinigten neuen Erde „kommen, um vor mir anzubeten, spricht der Herr“. Jesaja 66,23. {LJ 271.1}
Keine andere Einrichtung, die den Juden anvertraut war, zeichnete sie so sehr vor den umliegenden Völkern aus wie gerade der Sabbat. Gott wollte, daß die Feier dieses Tages sie als seine Anbeter kennzeichne. Der Sabbat sollte ein äußeres Zeichen ihrer Trennung vom Götzendienst sowie ihrer Verbindung mit dem wahren Gott sein. Um aber den Sabbat heiligen zu können, müssen die Menschen selbst heilig sein und durch den Glauben Teilhaber der Gerechtigkeit Christi werden. Als den Israeliten das Gebot gegeben wurde: „Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligest“, sagte der Herr auch zu ihnen: „Ihr sollt mir heilige Leute sein.“ 2.Mose 20,8; 2.Mose 22,30. Nur so konnte der Sabbat die Israeliten als Anbetende Gottes kennzeichnen. {LJ 271.2}
Als die Juden von Gott abwichen und sich dadurch selbst um die Gerechtigkeit Christi brachten, verlor der Sabbat für sie seine Bedeutung. Satan versuchte sich zu erhöhen und die Menschen von Christus abspenstig zu machen. Er strebte danach, den Sabbat zu ändern, weil dieser das Zeichen der Macht Christi ist. Die Führer Israels handelten nach dem Willen Satans, indem sie den Sabbat mit bedrückenden Menschensatzungen umzäunten. Zur Zeit Christi war der Sabbat so verfälscht worden, daß er mehr dem Charakter selbstsüchtiger, willkürlich handelnder Menschen glich, als daß er das Wesen eines liebenden Gottes und Vaters widerspiegelte. Die Rabbiner bezeichneten Gott im Grunde genommen als ein Wesen, das Gesetze erließ, die zu halten Menschen unmöglich war. Sie veranlaßten das Volk, Gott als einen Tyrannen anzusehen und zu glauben, daß die Beachtung des Sabbats, wie sie von Gott verlangt werde, die Menschen hartherzig und grausam mache. Es war Christi Aufgabe, diese falschen Begriffe zu beseitigen. Obgleich er von den Rabbinern mit schonungsloser Feindschaft verfolgt wurde, bemühte er sich nicht im geringsten, ihren Forderungen zu entsprechen, sondern feierte vielmehr den Sabbat in Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes. {LJ 271.3}
Als der Heiland und seine Jünger an einem Sabbat von dem Ort der Anbetung zurückkehrten, gingen sie durch ein reifendes Kornfeld. Jesus hatte seinen Dienst an diesem Sabbat bis zum Abend ausgedehnt, und als sie nun durch das Feld gingen, pflückten die Jünger einige Kornähren, rieben sie zwischen den Händen und aßen die Körner. An keinem andern Tage hätte dies irgendwelches Aufsehen erregt; denn es war gestattet, beim Durchschreiten eines Kornfeldes, eines Obst- oder Weingartens beliebig viel Früchte zu pflücken und zu genießen. Nur an einem Sabbat war so etwas nicht erlaubt, ja, es wurde sogar als Sabbatschändung betrachtet. Nicht nur das Pflücken war eine Art Ernte, sondern auch das Reiben zwischen den Händen galt gewissermaßen als ein Dreschen der Frucht. So wurde die Tat der Jünger von den Rabbinern als doppelte Übertretung des Sabbatgebotes bezeichnet. {LJ 272.1}
Die schnüffelnden Spione der Rabbiner beklagten sich bei Jesus und sagten: „Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbat nicht erlaubt ist.“ Matthäus 12,2. {LJ 272.2}
Als Jesus selbst einmal am Teich Bethesda der Sabbatschändung beschuldigt wurde, verteidigte er sich mit der Bezeugung, der Sohn Gottes zu sein und in Einklang mit dem himmlischen Vater zu handeln. Jetzt, da seine Jünger angegriffen wurden, verwies er die Ankläger auf Beispiele aus dem Alten Testament, auf Handlungen, die am Sabbat von solchen Personen vorgenommen worden waren, die im Dienste Gottes standen. {LJ 272.3}
Die jüdischen Lehrer rühmten sich ihrer Kenntnis der heiligen Schriften; in des Heilands Antwort lag jedoch ein Vorwurf hinsichtlich ihrer Unwissenheit der Schriften. „Habt ihr nicht gelesen“, sagte er zu ihnen, „was David tat, da ihn und die mit ihm waren, hungerte: wie er in das Gotteshaus ging und aß die Schaubrote, die er doch nicht durfte essen noch die, die mit ihm waren, sondern allein die Priester?“ Matthäus 12,3.4. „Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Markus 2,27. — „Habt ihr nicht gelesen im Gesetz, wie die Priester am Sabbat im Tempel den Sabbat brechen und sind doch ohne Schuld? Ich sage euch aber: Hier ist Größeres als der Tempel … Des Menschen Sohn ist ein Herr auch über den Sabbat.“ Matthäus 12,5.6.8. {LJ 272.4}
Wenn es David erlaubt war, von den Broten im Tempel, die doch für einen heiligen Zweck bestimmt waren, zu essen, um seinen Hunger zu stillen, dann war es auch kein Unrecht von den Jüngern, wenn sie am heiligen Sabbattag Ähren ausrauften, um davon zu essen und ihren Hunger zu stillen. Außerdem hatten die Priester am Sabbat mehr zu tun als an anderen Tagen; dieselbe Arbeit zu weltlichen Zwecken wäre sündhaft gewesen, doch das Wirken der Priester geschah im Dienste Gottes. Sie übten jene Gebräuche, die auf die erlösende Kraft Christi hinwiesen, und ihr Dienst war in Übereinstimmung mit dem Sinn und Ziel des Sabbats. Nun aber war Christus selbst gekommen, und die Jünger, die seinen Auftrag ausführten, waren im Dienste Gottes tätig; alles, was zur Erfüllung dieses Auftrages notwendig war, durfte von ihnen auch am Sabbat getan werden. {LJ 273.1}
Christus wollte seinen Jüngern und auch seinen Gegnern zeigen, daß der Dienst für den Herrn allem andern vorgehen sollte. Das Werk Gottes in dieser Welt ist auf die Erlösung der Menschen gerichtet; deshalb steht auch das, was am Sabbat getan werden muß, um diese Aufgabe zu fördern, in Einklang mit dem Sabbatgebot. Diese Lehre betonte der Heiland noch dadurch, daß er sich „Herr des Sabbats“ nannte, der erhaben ist über alle Zweifel und auch über das Gesetz. Der ewige Richter sprach die Jünger Jesu von allem Tadel frei, indem er sich gerade auf jenes Gesetz berief, dessen Übertretung man sie bezichtigte. {LJ 273.2}
Jesus begnügte sich nicht damit, seinen Gegnern einen Vorwurf zu machen, sondern er erklärte damit, daß sie in ihrer Blindheit den Sinn des Sabbats verkannt hätten. Er sagte: „Wenn ihr aber wüßtet, was das ist: ‚Ich habe Wohlgefallen an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer‘, hättet ihr die Unschuldigen nicht verdammt.“ Matthäus 12,7. Die vielen seelenlosen Zeremonien konnten ihren Mangel an aufrichtiger Rechtschaffenheit und hingebungsvoller Liebe, die immer den wahren Anbeter Gottes auszeichnen, nicht ersetzen. {LJ 273.3}
Aufs neue wiederholte Christus die Wahrheit, daß die Opfer, in sich selbst wertlos, nur ein Mittel, nicht aber die Erfüllung wären. Ihre Aufgabe war es, die Menschen zum Heiland zu führen und sie dadurch in Übereinstimmung mit Gott zu bringen. Allein den Dienst aus Liebe schätzt Gott; fehlt diese Liebe, dann sind ihm alle Opfer und Formen ein Ärgernis. Genauso ist es auch mit dem Sabbat. Dieser war dazu bestimmt, die Gemeinschaft der Menschen mit Gott herzustellen. Als jedoch das Gemüt der Menschen von lästigen Satzungen in Anspruch genommen wurde, war Gottes Absicht mit dem Sabbat durchkreuzt; die rein äußerliche Beachtung des Sabbats war ein Hohn. {LJ 274.1}
An einem andern Sabbat sah Jesus beim Betreten einer Synagoge einen Mann mit einer verdorrten Hand. Die Pharisäer beobachteten ihn, begierig zu sehen, was er tun würde. Jesus wußte wohl, daß er als Übertreter des Gesetzes angesehen würde, wenn er am Sabbat heilte. Dennoch zögerte er nicht, die Schranken der übernommenen Menschensatzungen, die den Sabbat umzäunten, niederzureißen. Er ließ den leidenden Mann hervortreten und fragte dann: „Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten?“ Markus 3,4. Bei den Juden herrschte die Regel, daß, wer eine gute Tat unterließ, gleichzeitig eine böse Tat beging; ein gefährdetes Leben nicht zu retten, bedeutete, es zu töten. So schlug Jesus die Juden mit ihren eigenen Waffen. „Sie aber schwiegen stille. Und er sah sie umher an mit Zorn und ward betrübt über ihr verstocktes Herz und sprach zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und seine Hand ward gesund.“ Markus 3,4.5. {LJ 274.2}
Als Jesus gefragt wurde: „Ist‘s auch recht, am Sabbat zu heilen?“, antwortete er: „Welcher ist unter euch, wenn er ein einziges Schaf hat und es fällt ihm am Sabbat in eine Grube, der es nicht ergreife und ihm heraushelfe? Wieviel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf! Darum darf man wohl am Sabbat Gutes tun.“ Matthäus 12,10-12. {LJ 274.3}
Die Pharisäer wagten es aus Furcht vor der Menge nicht, dem Herrn zu antworten. Sie wollten sich selbst keine Schwierigkeiten bereiten. Sie wußten genau, daß er die Wahrheit gesprochen hatte. Lieber würden sie einen Menschen seinen Schmerzen überlassen, als ihre Satzungen übertreten. Dagegen befreiten sie ein Schaf aus seiner Notlage, um dem Eigentümer den Verlust zu ersparen. Mithin ließen sie einem Tier größere Sorge angedeihen als dem Menschen, der doch zum Ebenbild Gottes geschaffen ist. Dies veranschaulicht deutlich die Wirkung aller falschen Glaubensrichtungen. Diese entspringen dem Verlangen, sich über Gott zu erheben, enden aber darin, daß sie den Menschen unter das Tier erniedrigen. Jede Religion, die sich gegen die oberste Gewalt Gottes wendet, betrügt den Menschen um die Herrlichkeit, die er bei der Schöpfung besaß, und die ihm von Christus wiedergegeben werden soll. Jede falsche Religion lehrt ihre Anhänger, gegen die menschlichen Bedürfnisse, Leiden und Rechte gleichgültig zu sein; das Evangelium aber legt hohen Wert auf das Menschentum und sieht den Menschen als Erlösten durch das Blut Christi, der in allen Nöten der liebevollsten Aufmerksamkeit wert ist. Der Herr sagt, „daß ein Mann kostbarer sein soll als Feingold und ein Mensch wertvoller als Goldstücke aus Ophir“. Jesaja 13,12. {LJ 274.4}
Als Jesus sich an die Pharisäer mit der Frage wandte, ob es recht sei, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses, Leben zu retten oder zu töten, stellte er sie ihren eigenen bösen Absichten gegenüber. Sie trachteten ihm mit bitterem Haß nach dem Leben, während er das Leben retten und den Menschen Glückseligkeit bringen wollte. War es nun besser, am Sabbat zu töten, wie sie es zu tun beabsichtigten, oder Kranke zu heilen, wie er es getan hatte? Was war gerechter: alle Menschen zu lieben und dies durch Taten der Barmherzigkeit zu bekunden oder an Gottes heiligem Tage Mordgedanken im Herzen zu hegen? {LJ 275.1}
Durch die Heilung der verdorrten Hand verurteilte Jesus die Gebräuche der Juden und handhabte das Sabbatgebot so, wie Gott es einst gegeben hatte. „Darum darf man wohl am Sabbat Gutes tun“, sagte er. Indem er die sinnlosen Einschränkungen der Juden hinwegräumte, ehrte er das wahre Wesen des Sabbats, während Jesu Ankläger Gottes heiligen Tag entehrten. {LJ 275.2}
Viele, die die Meinung vertreten, daß Christus das Gesetz abgetan habe, lehren, daß er den Sabbat brach und sogar die Jünger rechtfertigte, als sie das gleiche taten. Solche Propheten stellen sich in Wirklichkeit den krittelnden Juden gleich und widersprechen dem Zeugnis Christi von sich selbst; denn er sagte: Ich halte meines Vaters Gebote und bleibe in seiner Liebe. Johannes 15,10. Weder der Heiland noch seine wahren Nachfolger brachen das Sabbatgebot. Christus war eine lebendige Verkörperung des Gesetzes, von dessen heiligen Vorschriften er nicht eine einzige in seinem Leben übertrat. Er blickte auf ein Volk von Zeugen, die alle eine Gelegenheit suchten, ihn zu verdammen, und er konnte sie unwidersprochen fragen: „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen?“ Johannes 8,46. {LJ 275.3}
Der Heiland war nicht gekommen, die Worte der Patriarchen und Propheten umzustoßen; denn er selbst hatte durch diese Männer geredet. Alle Wahrheiten des Wortes Gottes kamen von ihm. Aber all diese unschätzbaren Edelsteine waren in eine falsche Fassung gebracht; ihr köstliches Licht war benutzt worden, dem Irrtum zu dienen. Gott wünschte, daß sie aus der Fassung des Irrtums herausgenommen und in den Rahmen der Wahrheit gebracht würden. Dies aber konnte nur durch göttliche Hand geschehen. Durch die Verbindung mit dem Irrtum hatte die Wahrheit dem Feinde Gottes und der Menschen gedient. Nun war Christus gekommen, sie wieder aufzurichten, damit sie Gott verherrlichen und die Seligkeit der Menschheit schaffen sollte. {LJ 276.1}
„Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen“, sagt Jesus. Die Einrichtungen, die Gott geschaffen hat, dienen dem Wohl der Menschheit. „Es geschieht alles um euretwillen.“ 2.Korinther 4,15. — „Es sei Paulus oder Apollos oder Kephas, es sei Welt oder Leben oder Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ 1.Korinther 3,22.23. Das Gesetz der Zehn Gebote, zu denen der Sabbat gehört, gab Gott zum Besten seines Volkes. „Der Herr hat uns geboten, nach all diesen Rechten zu tun, daß wir den Herrn, unsern Gott, fürchten, auf daß es uns wohlgehe unser Leben lang.“ 5.Mose 6,24. Und durch den Psalmisten erhielt Israel die Aufforderung: „Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, daß der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobet seinen Namen!“ Psalm 100,2-4. Von allen, „die den Sabbat halten, daß sie ihn nicht entheiligen“ (Jesaja 56,6), sagt der Herr: „Die will ich zu meinem heiligen Berge bringen und will sie erfreuen in meinem Bethaus.“ Jesaja 56,7. {LJ 276.2}
„Des Menschen Sohn ist ein Herr auch über den Sabbat.“ Diese Worte sind voll Belehrung und Trost. Weil der Sabbat um des Menschen willen gemacht wurde, ist er des Herrn Tag. Er gehört Christus; denn alle Dinge sind durch ihn gemacht. Ohne ihn „ist nichts gemacht, was gemacht ist“. Johannes 1,3. Da er alles geschaffen hat, hat er auch den Sabbat eingesetzt; durch ihn wurde dieser als ein Gedächtnistag des Schöpfungswerkes abgesondert, und so weist der Sabbat auf ihn als den Schöpfer und auch als den, der da heiligt. Im Sabbat liegt die Erklärung, daß er, der alle Dinge im Himmel und auf Erden geschaffen hat und in dem alle Dinge zusammengefaßt sind, das Haupt der Gemeinde ist und daß wir durch seine Macht mit Gott versöhnt sind. Gott sagte, indem er von Israel sprach: „Ich gab ihnen auch meine Sabbate zum Zeichen zwischen mir und ihnen, damit sie erkannten, daß ich der Herr bin, der sie heiligt“ (Hesekiel 20,12) — der sie heilig macht. Also ist der Sabbat ein Zeichen der Macht Christi, uns zu heiligen, und er ist allen gegeben, die Christus heiligt. Als ein Zeichen der heiligenden Macht ist der Sabbat allen gegeben, die durch Christus ein Glied des Israels Gottes werden. {LJ 277.1}
Der Herr sagt: „Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tage und den Sabbat ‚Lust‘ nennst und den heiligen Tag des Herrn ‚geehrt‘; … dann wirst du deine Lust haben am Herrn, und ich will dich über die Höhen auf Erden gehen lassen und will dich speisen mit dem Erbe deines Vaters Jakob; denn des Herrn Mund hat‘s geredet.“ Jesaja 58,13.14. Allen, die den Sabbat als Zeichen der Schöpfungs- und Erlösungsmacht Christi annehmen, wird er eine Lust sein, und da sie Christus in diesem Tage sehen, werden sie sich in ihm freuen. Der Sabbat weist sie hin auf die Werke der Schöpfung als Beweis seiner mächtigen Kraft, zu erlösen. Während er an den verlorenen Frieden des Paradieses erinnert, spricht er von dem wiedererlangten Frieden durch den Heiland. Jedes Ding in der Natur wiederholt seine Einladung: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Matthäus 11,28.“ {LJ 277.2}
aus „Das Leben Jesu“, Ellen G. White, (Originaltitel: The Desire of Ages), Kap. 29, S. 269-277, Saatkorn-Verlag Hamburg, 1973, digitale Ausgabe von www.egwwritings.org